In Gegensätzen miteinander - Beziehung im Sozialen pflegen

Das Projekt „Inklusionszufall“ – neu mit Videobeitrag

 

Inklusion gehört gegenwärtig zu den gesellschaftlich, sozial- und bildungspolitisch relevanten Themen. Soll Inklusion für gesellschaftliche Transformationsprozesse sinnvoll und kritisch verwendet werden, ist nicht „Einschluss in Bestehendes“, sondern „Zusammenschluss von Vielfalt“ gemeint. Konsequenterweise führen Inklusionsprozesse zu fundamentalen Veränderungen gesellschaftlicher und speziell auch institutioneller Gefüge; sie brechen vor allem die herkömmliche, normierende Logik auf, die sich auf Faktoren wie Erwerbsarbeit und Leistungsfähigkeit konzentriert. Ebenso besteht in Institutionen Unsicherheit darüber, wie sich der Inklusionsanspruch unter derzeitigen Voraussetzungen überhaupt verwirklichen lässt bzw. welche Bedingungen dafür zu schaffen sind.

Der Einsatz künstlerischer Intervention – so die Ausgangsthese – eignet sich in besonderem Maße für die Entwicklung und Erprobung inklusiver Begegnungen. Um grundlegende Erfahrungen im Umgang mit Vielfalt und Verschiedenheit zu sammeln und um uneingeschränkte Teilhabe aller Menschen durch die Mittel der Kunst zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund fand ein Projekt mit dem Namen „Inklusionszufall“ statt, bei dem die Möglichkeiten und Grenzen einer nachhaltigen inklusiven Atelierarbeit genauer erkundet und  miteinander erprobt sowie Räume geschaffen wurden, die Inklusion in der Praxis möglich machen.

Dieses Jahr fand das Projekt „Inklusionszufall“ zum ersten Mal in der Hermann Jülich Werkgemeinschaft in Hamfelde und mit Betreuten aus Allmende in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Künste im Sozialen Ottersberg statt. Motivation für die Zusammenarbeit ist der Wunsch, als „variable inklusive Künstlergruppe“ bei künstlerischen Events im öffentlichen oder institutionellen Raum in und um Hamburg dabei zu sein. Ziel ist es, durch die künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum als Plattform wahrgenommen zu werden und die Zeit im Kontakt mit den Teilnehmern für vielseitigen Austausch und lebendiges Miteinander zu nutzen.

Es geht darum, aus der Zusammenarbeit Interventionen zu entwickeln, die sich mit der Frage auseinandersetzten, welche künstlerischen Formate man entwickeln kann, um Begegnungsräume in der Öffentlichkeit zu schaffen. Ausgangspunkt der Künstlergruppe ist es, sich als gleichermaßen richtig und wichtig wie jede andere nicht-inklusive Gruppe zu verstehen, so dass alle Aktionen sich völlig davon distanzieren, für Inklusion zu werben, oder auch nur auf dieses Thema aufmerksam zu machen.

Das Projekt beinhaltete zwei intensive Projektwochen, in denen 6 Studierende der Hochschule, begleitet durch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, und 6 Betreute aus Ahrensburg und Hamfelde , begleitet durch eine künstlerische Mitarbeiterin, das Projekt zusammen gestaltet haben. Die Studierenden verbrachten die erste Woche in Hamfelde. Diese Zeit war bestimmt von Begegnung zwischen Studierenden und Betreuten, Kennenlernen , Ideen und Inspirationen sammeln. Der Gruppe stand ein alter Marktwagen zur Verfügung, den sie frei gestalten und für ihre Aktionen im öffentlichen Raum nutzen konnte. Dieser Wagen wurde in der ersten Woche von der Künstlergruppe geputzt, mit neuer Farbe gestrichen und für seinen Einsatz vorbereitet. Es wurden neue Aufgaben für den Wagen gesammelt und künstlerische Handlungen ausprobiert und gesucht, mit denen Aktionen gestaltet werden können. Aus der Papierwerkstatt in Hamfelde wurden Papierreste und Abschnitte genutzt, um sie kreativ zu verwenden und beispielsweise mit Farbe und Leim zu bunten Kugeln zu formen. Im Ausblick auf zukünftige künstlerische Aktionen. Zum Abschluss dieser Woche wurde der ehemalige Marktwagen auf dem Markt in Ahrensburg aufgestellt, und die Künstlergruppe sammelte bei Umfragen und Gesprächen mit den Besuchern dort Ideen für Aktionen und einen Namen für den Wagen. Am Ende dieser Woche hatte der Marktwagen ein neues Gesicht und erhielt den Namen „Gustav“. Diese Woche war für alle Seiten eine sehr aufregende Erfahrung, die die Gruppe noch enger zusammenbrachte.

Nach der Sommerpause stand die zweite Projektwoche an. Diese begann mit einem Ausflug der Betreuten nach Ottersberg in die Hochschule, um zu sehen, wo die Studierenden wirken und studieren. Nach einer Führung durch die Hochschule wurde gemeinsam künstlerisch gearbeitet und ein Logo für „Gustav“ gesucht und gefunden, das in den nächsten Tagen auf den Wagen aufgebracht wurde. Für diese Woche wurden zwei Aktionen geplant. Die Gruppe dachte sich eine Aktion aus, die sie vor dem Robben Café in Allmende durchführen wollte. Die Aktion stand unter dem Namen „Ich drehe mir eine Kugel und wünsche mir was…“. Nachdem „Gustav“ aufgestellt und die Materialien bereitet waren, begannen die Studierenden und Betreuten schweigend Kugeln zu Formen und sie in verschiedenen Orange-Tönen zu färben. Dabei kamen immer wieder Menschen vorbei, die zuschauten oder mitmachen wollten. Etwa zwei Stunden wurden Kugeln gedreht und die Reaktion der Zuschauer beobachtet. Ein gemeinsames anschließendes Mittagessen ließ Zeit zum Reflektieren und Austausch über das Erlebte. Einen Tag später stand noch eine Aktion auf dem Programm. Es wurde im Vorfeld der Kontakt zur Grundschule in Grönwohld gesucht, in die die Künstlergruppe eingeladen wurde, um eine Aktion innerhalb einer Projektwoche zu gestalten. Die Projektwoche stand unter dem Thema „Apfel“ und so überlegte sich die Gruppe, was sie den Kindern mitbringen konnten. Es entstand die Idee, die Kugeln vom Vortag zu verwenden und diese, auf Grund der orangen Farbe, „O-pfel“ zu nennen. Es wurde eine Geschichte erfunden und die künstlerische Aktion, die in Kleingruppen mit den Kindern stattfinden sollte, vorbereitet. Die Aufregung war groß, als „Gustav“ und die Künstlergruppe sich auf den Weg zur Grundschule machten. Alle in Orange gekleidet wurden sie bereits beim Aufbau von „Gustav“ neugierig von den Schülern beäugt. Das Eis war gebrochen, und die Aktion gelang. Betreute, Studierende und Kinder arbeiteten in Kleingruppen zusammen und überlegten sich künstlerisch, was man mit einem „O-pfel“ alles tun und  erleben könnte. Zum Abschluss wurden alle Kunstwerke auf dem Schulhof ausgebreitet und bewundert. Auch die Presse war dabei, und eine Reporterin vom „Hamburger Abendblatt“ schrieb einen Artikel über diese Aktion.

Diese Wochen waren für alle sehr intensiv und spannend. Es gab viele Begegnungen, die durch das gemeinsame künstlerische Tun initiiert wurden und ohne die Kunst vermutlich nicht möglich gewesen wären. Kunst als Inklusionshelfer kann in verschiedensten Formen und Aktionen Türen öffnen und Brücken schlagen. Dieses Projekt hat viele Möglichkeiten aufgezeigt, wie „Gustav“ mit einen Künstlergruppe aktiv werden und in die Öffentlichkeit treten kann. Besonders Aktionen im institutionellen Raum (Schulen, Kindergärten etc.), in den „Gustav“ eingeladen wird, um eine künstlerische Handlung mitzubringen, bieten ein schönes Erfahrungsfeld für die Betreuten. Dies soll auch in Zukunft durch weitere Aktionen lebendig gehalten werden.

Der vollständige Bericht

 

 

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